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Findus als Wohnraumvermittler


Es miaut laut und eindringlich am Schlafzimmerfenster. Ich erwache aus meinen Träumen und erkenne außen am Fenster sitzend unseren Findus. Ich rufe: „Findus, komm doch herein!“ Wir haben eine Katzenklappe in der Außenwand, damit unsere Katzen jederzeit selbständig hinaus- und hereingehen können. Umsonst, es miaut noch lauter, begleitet von einem Kratzen am Fensterrahmen. Also bleibt mir nichts weiter übrig, als aus dem warmen Bett zu steigen. Nur noch schnell den Bademantel überziehen, denn draußen ist tiefer Winter. Die Temperatur liegt im Minus-Bereich. Ich öffne die Haustür. Davor sitzt schon Charlie. Der huscht sofort herein. Findus aber braucht eine persönliche Einladung. Ich schlurfe notgedrungen in meinen Pantoffeln über den Hof bis zum Fenster. Kaum habe ich ihn am Kopf berührt, springt er vom Fensterbrett und rennt schnurstracks durch die noch offenstehende Haustür. Ich schleiche, immer noch schlaftrunken hinterher. Schnell noch ein paar Leckerlis für die Beiden und dann wieder hinein ins warme Bett. Dieser Vorgang ist schon fast zum täglichen Ritual geworden.
Vor dem erneuten Einschlafen denke ich daran zurück, wie Findus und Charlie bei uns einzogen. Im November 2011, wir wohnten damals noch in der Gegend um Dresden und verbrachten hier im brandenburgischen Wald nur unsere Freizeit in einem Wohnwagen, tauchte Findus auf einmal bei uns auf.

Findus1

Wie in der Geschichte „Familienzuwachs“ beschrieben, gewöhnte er sich schnell bei uns ein und zog mit nach Dresden. Als wir dann im Frühjahr 2013 unseren Wohnsitz endgültig hier in den Wald verlegten, kam auch er wieder in seine Heimat zurück.

Irgendwann im Sommer 2013 trafen wir unseren Findus außerhalb des Grundstücks. Als wir ihn riefen, verschwand er aber blitzartig im Wald. Seine plötzliche Schreckhaftigkeit konnten wir uns nicht erklären. Diese Situation wiederholte sich noch einige Male, bis wir dann unseren Findus 2 mal sahen. Der Schreckhafte war also nicht Findus, sondern ein völlig fremder Kater. Er schien, im Gegensatz zu unserem Findus damals, ein völlig verwildertes oder gar in der Wildnis geborenes Tier zu sein.

Ein kleines Stück von unserem Domizil entfernt stand die Ruine eines alten Hauses. Meine Frau sah ihn öfters darin verschwinden. Dort drin fing sie dann an, ihn regelmäßig zu füttern. Er saß immer etwas entfernt in einem Gebüsch, um als sie dann wieder in gebührender Entfernung war, in die Ruine zu stürzen und blitzschnell alles aufzufressen.

Er schien furchtbare Angst vor jedem Menschen zu haben. Unsere Katzen, Flöckchen, Blacky, Gari (der Kater mit Eigenkapital) und Dickerle, den Kater unseres Vermieters, der auch bei uns eingezogen war, akzeptierte er aber und sie akzeptierten ihn auch. Am innigsten verstand er sich aber mit Findus. Oft sahen wir die Beiden zusammen auf Tour gehen.

Mittlerweile zog der Herbst ins Land. Das Fenster unseres Wohnwagens stand immer offen, weil die Katzen diesen oftmals auch nutzten, um tagsüber ein Schläfchen zu machen. Wir bemerkten, dass der fremde Kater dieses auch nutzte. Von einer befreundeten Frau, die im Tierschutz tätig war, borgten wir uns eine Lebendfalle. Diese stellten wir im Wohnwagen auf mit der Absicht, ihn wenigstens kastrieren und impfen zu lassen. Einige Wochen stand die Falle dort, mit einer Decke abgedeckt, damit der Gefangene nicht unnötig Angst bekommt. Bei jeder Kontrolle war sie aber immer unberührt. Eines Morgens ging ich wieder nachschauen. Da bemerkte ich, dass die Klappe zugefallen war. Außerdem ertönte ein lautes Miau unter der Decke. Schnell begab ich mich in Richtung Wohnung, um die Autofahrt nach Berlin zur Tierschutzstelle anzutreten. Auf halbem Wege stutzte ich aber. Die Stimme unter der Decke kam mir doch gar bekannt vor. Ich machte kehrt, lüftete die Abdeckung… und in der Falle saß unser Blacky, der sich entsetzlich beschwerte. Mir blieb nichts übrig, als mich bei ihm zu entschuldigen und ihn wieder freizulassen.

Am 25. Oktober war es dann aber doch soweit. Der Wildfang saß in der Falle und ich transportierte ihn nach Berlin. Es wurden noch alle Formalitäten erledigt. Man sagte mir, ich bekäme Bescheid, wann ich ihn beim Tierschutz wieder abholen könnte um ihn in seinem Revier freizulassen. Ich verabschiedete mich noch von ihm und wünschte ihm alles Gute, was er aber wahrscheinlich eher als Häme empfunden haben dürfte.

 

Findus2

Nach ein paar Tagen bekamen wir Bescheid, dass wir ihn wieder abholen können. Wir fuhren zu dem Tierheim, in dem die Tierschutzmitarbeiterin arbeitete, die uns das Ganze vermittelt hatte. Davor begegneten wir einem Tierheimkater, der das Privileg hatte dort Freigang zu genießen. Er hieß Charlie. Von seiner Persönlichkeit waren wir so beeindruckt, dass wir spontan beschlossen unseren Findling auch Charlie zu taufen. Er selbst war vom Wiedersehen nicht so sehr beeindruckt und wir fuhren mit ihm nach Hause.
Um ihn in gewohnter Umgebung aus seiner Transportbox zu entlassen, trugen wir diese wieder in den Wohnwagen. Kaum hatten wir die Box geöffnet, sprang er heraus und drehte total am Rad. Wir konnten nur noch die Tür öffnen und er verschwand auf der Stelle in den Wald. Im November starb unser Gari. Theoretisch war nun wieder ein Platz bei uns frei.
Viele Tage sahen wir nichts mehr von ihm. Er würde doch hoffentlich nicht für immer das Weite gesucht haben. Inzwischen war es Winter geworden. Mit Heu ausgepolsterte Styropor-Kartons stellten wir ihm auf unsere Terrasse und auch in die Ruine. Wir legten uns eine Wildkamera zu und brachten sie dort an. Nach einigen Wochen konnten wir endlich Aufnahmen von ihm entdecken. Er verspeiste das von uns hingestellte Futter und wechselte sich dabei mit einem Fuchs ab. Findus entdeckte ihn endlich auch wieder. Von da an gingen sie wie vorher regelmäßig gemeinsam auf Tour. Nur in die Nähe unseres Hauses traute er sich nicht zu kommen.
Es dauerte noch 1 Jahr, bis Findus mit seinen stetigen Bemühungen es schaffte, ihn bis auf unsere Terrasse zu locken.

 

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2014 starben Flöckchen und Dickerle. Findus ließ nicht locker. Wir hatten den Eindruck, dass er seinen Kumpel unbedingt dazu überreden wollte, bei uns einzuziehen. Endlich betrat er einmal durch die offenstehende Terrassentür unsere Wohnung. Wir durften uns aber nicht bewegen und konnten keinesfalls die Tür schließen, sonst war er sofort wieder über alle Berge. Doch langsam wurde es  immer besser. Im Winter 2015 war es schon fast die Regel, dass Charlie nachts, wenn alles ruhig war, auf unserer Couch im Wohnzimmer schlief.

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Wir konnten ihn schon vorsichtig am Kopf streicheln, nur hektische Bewegungen und Geräusche mussten wir vermeiden. Im Herbst 2016 starb dann noch Blacky. Nun waren Findus und Charlie allein.

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Über meine Erinnerungen bin ich unbemerkt wieder eingeschlafen. Als ich wieder erwache, fällt mein Blick auf Findus. Er liegt in seiner Hängematte und schläft den Schlaf der Gerechten. Doch was ist das? Ich kann meine Füße gar nicht bewegen. Vorsichtig hebe ich den Kopf. Auf meiner Bettdecke am Fußende liegt Charlie und zuckt im Traum leicht mit seinen Vorderpfoten. Es ist ein Bild des Friedens.

Am 11. Dezember 2017 kam Findus nicht wieder nach Hause. Am Abend fanden wir ihn. Er war im Pool eines Nachbarn ertrunken. Seitdem sitzt Charlie oft an Findus Grab. Ob er die Zusammenhänge begreift? Wir wissen es nicht.