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Wir schreiben das Jahr 1992. Es ist Herbst. Wir machen eine Woche Herbsturlaub in unserem Wohnwagen. Es ist eigentlich kein Wohnwagen im heutigen Sinne, sondern ein selbst ausgebauter
Bauwagen, so wie ihn die Zirkusleute bis heute nutzen. Nur das er nicht mehr für den Straßenverkehr zugelassen ist. Wir haben seit ein paar Jahren in der Nähe von Berlin ein kleines Grundstück mitten im Wald
gepachtet. Dort steht unser Wohnwagen und wir nutzen ihn oft in unserer Freizeit. Es ist für uns sehr praktisch, da wir dorthin all unsere Katzen mitnehmen können. Auf einem Campingplatz ist so etwas ja nicht
möglich. Gleich am zweiten Tag beschließen wir, Pilze suchen zu gehen. Felix, Riedel, Puppi und Miezel machen ihr Ding. Sie haben im Wald rings um unseren Wohnwagen viel zu erkunden und sind immer beschäftigt.
Nur Katerchen wartet schon auf uns. Er hält sich immer in der Nähe auf und wartet nur darauf, daß wir losziehen. Schon immer ging er furchtbar gern mit, wenn wir im Wald spazieren gingen. Am Anfang hatten wir
immer Probleme damit, weil wir Angst hatten, ihn im Wald irgendwo zu verlieren. Nun war es aber so oft gut gegangen und wir hatten uns schon daran gewöhnt. Wir nehmen unsere Pilzkörbchen, jeder ein Messer und
gehen zur Gartentür hinaus. Im selben Moment ist auch unser Katerchen da und marschiert mit. Im normalen Leben ist er sehr wortkarg, aber beim Pilze suchen ist er immer sehr gesprächig. Er redet am laufenden Band
und es klingt immer wie "Eu Eu". So grasen wir eine Schonung nach der anderen ab und haben schon eine schöne Ausbeute im Körbchen. Auf einmal benimmt sich unser Katerchen recht merkwürdig. Er bleibt
ständig stehen, schnüffelt in die Richtung die wir eingeschlagen haben und will nicht mehr weiter gehen. Wir schauen aufmerksam in die Richtung und entdecken dort einen Mann. Seinem Outfit nach zu urteilen, muß
das ein Jäger oder Förster sein. Meine Frau bleibt mit dem Katerchen zurück und ich gehe auf ihn zu. Er grüßt und fragt mich, was wir hier im Walde machen. Ich antworte ihm, daß wir hier Pilze suchen.
Daraufhin meinte er, wir sollten schön vorsichtig sein und uns im Wald immer Sachen anziehen, die man auf Grund der auffälligen Farbe schon von weitem erkennen kann. "Es sind jetzt öfters Jäger im Wald, die
die Jagd erst noch lernen müssen und die könnten sie für Wildschweine halten." Ich kann mir keinen rechten Reim auf diese Aussage machen und gehe zu meiner Frau zurück, um ihr dieses zu erzählen. Sie
macht mich aber schon von weitem darauf aufmerksam, daß mit unserem Katerchen irgendetwas nicht stimmt. Normalerweise läuft er immer so mit, wie wir gerade laufen, aber jetzt geht er auf einmal seiner
eigenen Wege, völlig in die entgegengesetzte Richtung. Wir rufen noch: "Katerchen, bleib stehen! Komm zurück! Er läuft aber immer weiter. Wir versuchen noch, ihm hinterher zu laufen, haben ihn aber
bald schon aus den Augen verloren. Noch ist unsere Sorge nicht so übermäßig groß. Wir versuchen uns selber Mut zu machen. Er kennt ja schließlich den Wald und war schon so oft hier. Vielleicht hat er nur Angst
vor dem Jäger gehabt und ist schnell zum Wohnwagen gelaufen. Bestimmt erwartet er uns schon, wenn wir ankommen. So laufen wir, so schnell es geht, zurück. Wir öffnen unsere Gartentür, --- kein Katerchen. Wir
betreten den Wohnwagen, --- kein Katerchen. Langsam befällt uns Angst. Was sollen wir jetzt machen. Wir gehen wieder dorthin zurück, wo wir ihn verloren haben. Er muß ja noch irgendwo sein. Also die
Pilzkörbe abgestellt und wieder zurück zu der Stelle, wo uns der Jäger begegnet ist. Aber wie wir auch suchen und rufen, kein Katerchen ist weit und breit zu sehen. Wir laufen kreuz und quer durch den Wald
und rufen bis wir fast heiser sind, aber das Ergebnis bleibt gleich null. Langsam wird es dunkel und wir kehren notgedrungen zu unserem Wohnwagen zurück. Die Nacht zieht sich unheimlich in die Länge. Fast aller
halben Stunden gehen wir mit der Taschenlampe in den finsteren Wald hinaus, starren in den Lichtkegel daß uns bald die Augen herausfallen und rufen seinen Namen in allen Tonlagen. Es kommt aber keine Antwort und
nicht einmal der Schatten unseres Katerchens ist zu sehen. Spät gehen wir zu Bett, können aber kaum schlafen. Bei jedem Geräusch sind wir sofort hellwach und es gibt nächtens eine ganze Menge Geräusche. Unsere
anderen Kleinen, Felchen, Riedelchen, Puppchen und Miezel bleiben ja nicht ruhig liegen und schlafen die ganze Nacht. Mal steigt der eine zum Fenster hinaus, mal kommt die andere herein und springt auf den
Fußboden. Jedes mal springen wir voll Hoffnung aus dem Bett, doch immer ist es eine Enttäuschung. Das Katerchen taucht einfach nicht auf. Nach einem unruhigen Schlaf wache ich morgens auf. Meine Frau ist
nicht da. Schnell nach draußen und nachsehen. Vielleicht hat sie ja das Katerchen bei sich. Aber nichts dergleichen, sie hat nur ihre erste Runde schon wieder weg, leider jedoch wieder ohne Ergebnis. Wir
verrichten schnell unsere Morgentoilette, essen etwas und ab geht es wieder in den Wald. So vergeht der ganze Tag. Beim Dunkelwerden noch ein bißchen mit der Taschenlampe und dann folgt wieder eine schlaflose
Nacht. Am nächsten Morgen beschließen wir, Zettel zu schreiben. Also schreibe ich: Schwarz-weißer Kater, hört auf den Namen Katerchen, wird vermißt. 100,00 DM Belohnung zugesichert. Nachdem ich jeden
verfügbaren Zettel beschrieben habe ziehen wir los. Jeder Hochsitz eines Jägers und so mancher Baum werden mit unseren Zettel bestückt. Danach geht es wieder auf Suche. Vor meinem inneren Auge zieht das bisherige
Leben unseres Katerchens vorbei. Vor ungefähr 1 1/2 Jahren sahen wir ihn zum ersten Mal. Er saß in unserem Hof und suchte sich aus den Abfällen an der Mülltonne etwas Eßbares heraus. Meine Frau ging ins Haus
und kam mit einem Tellerchen Katzenfutter wieder. Das war der Anfang. Seitdem kam er jeden Tag. Er hatte dünnes, graues und glanzloses Fell. Außerdem nieste er ständig und es flogen dabei eitrige, gelbe Fladen
durch die Gegend. Er war sehr liebebedürftig, aber sein Zustand machte es einem schwer, mit ihm zu schmusen. Wir hatten zu der Zeit schon die anderen Vier und meinten, das Boot wäre voll. Also beschränkten wir
und darauf, ihm täglich Futter zu geben. Er wartete sch jeden Tag auf der anderen Straßenseite bis er meine Frau erspähte. Dann kam er sofort zu uns in den Hof und erwartete sein Futter. Da sein Zustand aber
immer schlimmer wurde, gingen wir mit ihm zum Tierarzt. Sein Katzenschnupfen war zwar bereits chronisch, aber er versuchte trotzdem eine Behandlung mit Spritzen. Danach war die Zeit gekommen, in der unser Urlaub
geplant war. Wir fuhren mit unseren 4 Kleinen in unseren Wohnwagen im Wald. Da aber während unseres Urlaubs ein Bekannter unsere Wohnung renovieren sollte, gaben wir gleich auch den Auftrag an ihn weiter, daß
Katerchen jeden Tag zu füttern. Als wir dann aus dem Urlaub zurückkamen, trauten wir unseren Augen kaum. Ein völlig neues Katerchen saß vor unserer Tür. Sein graues Fell war schwarz-weiß geworden und glänzte
ganz sehr. Außerdem nieste er fast gar nicht mehr. Der Erfolg der Behandlung war verblüffend. Er ließ natürlich nicht locker und versuchte nun auch mit in unsere Wohnung zu kommen. Langsam und
unauffällig, nicht allzu nachdrücklich aber doch stetig, das war seine Strategie, mit der er letztendlich auch Erfolg haben sollte. Er erreichte, daß wir ihn besuchsweise mit in die Wohnung nahmen. Unser Puppi,
damals gerade im Halbstarkenalter, war strikt dagegen. Katerchen ließ sich geduldig vom Puppi verprügeln, ging aber dabei keinen Schritt rückwärts. Schließlich gab es Puppi auf. Nun war das Katerchen schon
täglich bei uns, nur nachts zum Schlafengehen mußte er immer aus dem Haus. Wir hatten einfach Angst, daß ein Kater, der ja schließlich kein Katzenklo kennen konnte, dieses dann bei Bedarf auch nicht benutzen
würde. Ich sehe noch als wäre es heute, wie er jede Nacht die Straße überquerte, eine Weile unentschlossen stehen blieb und dann in den angrenzenden Gärten verschwand. So verging der Herbst und es wurde Winter.
Eines Nachts, das Thermometer zeigte fast -20°, brachten wir es einfach nicht fertig, ihn auf die Straße zu schicken. Meine Frau sah mich an und ich sah meine Frau an. "Versuchen wir es einfach!" Mitten
in der Nacht wurde meine Frau munter. Was sie da sah, konnte sie erst gar nicht glauben. Das Katerchen lag in meinem Arm. Ich schlief ganz fest und hatte dabei meinen Arm um ihn gelegt. Er war zwar munter aber
schien sich einfach nicht rühren zu wollen, um nur ja den schönen Augenblick nicht zu beenden und wieder auf die Straße zu müssen. Als meine Frau dann später noch einmal aufwachte, war das Katerchen nicht da.
Da kamen bei ihr sofort die Befürchtungen hoch, daß das Katerchen vielleicht sein Geschäft verrichten mußte und woher sollte er wohl wissen, wie eine Wohnungskatze so etwas handhabte. Sie stand auf und ging in
die Küche. Sie traute ihren Augen kaum, was sie dort sah. Dort hockte unser Katerchen mitten auf dem Katzenklo, hatte sein Geschäft soeben beendet und schien ihr sagen zu wollen: "Was hast Du denn? Meinst Du,
ich weiß nicht, wie man zur Toilette geht?" Von diesem Augenblick an war das Katerchen bei uns eingezogen und wurde auch von allen, zum Schluß auch vom Puppchen, als neues Familienmitglied akzeptiert.
Das alles geht mir durch den Kopf, während wir unser verschwundenes Katerchen suchen. Ein Tag nach dem anderen vergeht, immer mit dem gleichen Schema. Aufstehen, essen, suchen, nach
Hause kommen, essen, wieder suchen, wieder nach Hause kommen und dann ein unruhiger, kurzer Schlaf. Schließlich war Sonntagabend und mein Urlaub ist zu Ende. Meine Frau hat noch eine Woche frei, aber ich muß am
Montag wieder zu arbeiten anfangen. Was sollen wir nur machen? Das Katerchen ganz allein im Wald zurücklassen? Wir können uns das einfach nicht vorstellen. Also fahre ich nach Hause und lasse meine Frau mit den
Kleinen im Wald zurück. Spät abends komme ich zu Hause an. Ich stelle mir den Wecker lege mich schlafen. Der Schlaf ist unruhig und ich träume lauter wirres Zeug. Endlich ist es Morgen. Ich rufe auf meiner
Arbeitsstelle an und erzähle dort, daß ich krank wäre. Dann mache ich mich auf den Weg zum Arzt. Ich sitze im Wartezimmer und mir läuft es abwechselnd heiß und kalt den Rücken herunter. Ich muß dem Arzt etwas
vorlügen, ihm eine Krankheit simulieren, aber nur so habe ich die Möglichkeit weiter nach unserem Katerchen zu suchen. In Angstschweiß gebadet erzähle ich, welche furchtbaren Probleme ich mit meiner Verdauung
habe und wie geschwächt mein Allgemeinzustand ist. Der Arzt deutet meinen Angstschweiß scheinbar als Zeichen meiner körperlichen Schwäche und schreibt mich auch problemlos krank. Mir fällt ein Felsklotz vom
Herzen und ich trage den soeben erhaltenen Krankenschein zu meiner Arbeitsstelle. Ich lasse die guten Besserungswünsche über mich ergehen, setze mich ins Auto und fahre die 200 km zurück in den Wald. Die ganze
Zeit über ist meine Frau schon wieder auf der Suche gewesen. Als sie früh aufstand und den Wasserhahn aufdrehen wollte, kam kein Wasser. Die vergangene Nacht hat es den ersten Frost gegeben und die Wasserleitung
ist eingefroren. Das alles läßt die Situation noch hoffnungsloser erscheinen. Wenn das Katerchen irgendwo festsitzt, es vielleicht in einer Falle eingefangen ist, wie soll es dann den Frost überleben?
Währenddessen sitze ich im Auto und nehme gerade die letzten Kilometer in Angriff. Das letzte Stück der Strecke ist ein unbefestigter Weg durch den Wald. Ich komme genau an der Stelle vorbei, an der wir unser
Katerchen das letzte Mal gesehen haben. Ich fahre langsam, schaue automatisch nach links und rechts obwohl meine Hoffnung fast gleich Null ist, ihn ausgerechnet beim Autofahren zu finden. Plötzlich, so ca. 200
Meter weiter sehe ich rechts vom Weg etwas Schwarz-Weißes. Ich traue meinen Augen nicht, glaube schon an Halluzinationen, dort sitzt unser Katerchen. Ganz vorsichtig trete ich auf die Bremse, steige aus und
gehe langsam und dabei ständig auf ihn einredend auf ihn zu. Fast in Zeitlupe greife ich nach ihm, dann habe ich ihn, dann halte ich ihn glücklich in den Armen. Ich steige schnell mit ihm ins Auto ein und fahre
noch die letzten Meter bis zu unserem Wohnwagen. Meine Frau sehe ich schon von weitem. Wie soll ich ihr nur die glückliche Wendung mitteilen. Ich gebe Lichthupe, winke und weise mit meiner Hand hinter auf den
Rücksitz, doch meine Frau guckt nur verständnislos auf mich. Wahrscheinlich nimmt sie an, ich hätte den Verstand verloren. Erst als ich schon angehalten habe sieht sie den lange Vermißten auf dem Rücksitz. Die
nachfolgende Freude kann sich keiner vorstellen, der sein Tier nicht auch schon so verzweifelt gesucht hat. Wir tragen das Katerchen in den Wohnwagen. Er wird gestreichelt und abgeküßt, die Freudentränen
tropfen auf sein Fell bis er fast keine trockene Stelle mehr hat. Er aber macht den Eindruck, als ob er genau so froh ist. Wir warten nur noch, bis alle anderen nacheinander heimkommen, packen unsere sieben Sachen
zusammen und fahren wieder nach Hause. Am nächsten Tag suche ich den Arzt auf und erkläre ich, daß ich nun wieder gesund sei. Anhand meines Gesichtsausdruckes muß er auch gemerkt haben, daß es mir schon viel
besser als am Vortag ging. So hat die ganze Sache doch noch ein gutes Ende genommen, nur daß wir auch späterhin nie erfahren haben, wo unser Katerchen die ganze Woche lang war.
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